top of page

 

Die Mennoniten in Preussen

Zurück zur Hauptseite

Teil I

     In Polen/Preussen verbrachten die Mennoniten über 300 Jahre. Dieses bezieht sich auf die Russlandmennoniten, denn die letzten verliessen Preussen/Polen erst beim Einmarsch der sowjetischen Panzer am Ende des Zweiten Weltkrieges.

     Die ersten waren schon 1535 da, 10 Jahre nach dem Anfang des Anabaptismus in Zürich. 1789 wanderten die ersten nach Russland aus. Die letzten kamen zwischen 1853 bis 1865 nach Russland (Samara). Fünf Jahre danach wanderten schon eine erste Gruppe nach Nordamerika aus.

    In Polen/Preussen blieben die Mennoniten also über 300 Jahre. Über diese Zeit habe ich aus verschiedenen Quellen einiges zusammengetragen.

    Woher kommen die Mennoniten? Aus verschiedenen Provinzen Hollands. Die später ausgewanderten Mennoniten waren ein Teil der großen Gruppe der Wiedertäufer in Holland, die jahrzentelange Verfolgung erdulden musste seitens der katholischen Spanier, die damals Holland beherrschten, später - nach Hollands Unabhängigkeit von Spanien - Verfolgung seitens anderer Holländer erlitten, die nun die Macht hatten, aber calvinistischen Glaubens waren.

    Die Verfolgungen führten zu Uneinigkeit unter den Mennoniten, denn man reagierte unterschiedlich auf die Gegner seines Glaubens. Es gab damals schon zwei Gruppen von Mennoniten. Eine größere Gruppe waren die Flamen, die aus Südholland und Nordbelgien kamen. Diese hatten ihre Schwierigkeiten mit den einheimischen Holländern, insbesondere den Friesen, die ursprünglich aus Nordholland kamen. Beide Gruppen unterteilten sich zwischen konservativen und liberalen, solche, die den Glauben sehr streng nahmen und andere, die eine gewisse Flexibilität aufwiesen. Es gab also die "Oude Friesen" (die alten, harten Friesen) und die "Jonge Friesen", die flexibler waren. Ebenso die "Oude Flamingen" und die "jungen" Flamen. Am liberalsten waren jene, die in der Nähe der Großstadt Amsterdam wohnten.

    Eine der zentralen Frage, die einige härter und andere sanfter handhabten war die Anwendung der Meidung, dass heißt, wie hart man mit Glaubensgeschwistern umgeht, die gesündigt haben, wie streng also Abfällige gemieden werden sollten.

    Friesisch und Flämisch bezog sich nicht immer auf ursprüngliche, nationale oder provinzielle Unterschiede, sondern auf strenge und lockere Interpretationen der Kirchenzucht. In der Kirchenleitung waren die Mennoniten Kongregationalisten, d.h. die Gemeindeglieder wählten selbst ihre Prediger und Älteste. Diese hielten häufig Konferenzen ab, um wichtige Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse zu entscheiden.

    Im Laufe der Zeit sind die Mennoniten zu einem Volk geworden, das durch den Glauben zusammengebracht worden war: die meisten aus Holland und Flandern, aber auch einige aus der Schweiz, Deutschland, Mähren und Böhmen.

    Die Verfolgungen der Mennoniten in den Niederlanden waren zeitweise intensiver, flauten dann phasenweise wieder ab. Das führte dazu, dass größere oder kleinere Gruppen sich auf die Flucht begaben und in unterschiedlichen Gegenden Zuflucht suchten sei es in deutschen Ländern, einige gingen nach England. Aber die Gruppe, von der wir brasilianischen Mennoniten abstammen ging nach Osten, in die Niederungen der Weichsel, ein Fluss, der durch Polen strömt. Es gibt keine sichere Zahl dieser Flüchtlinge. Manche geben einige tausend an, andere meinen, es könnten 100.000 Mennoniten gewesen sein.

    Warum zogen sie ins Ausland, in eine Gegend mit slawischer Kultur, die ja der germanischen fremd ist? Ja, warum zogen unsere Großeltern nach Brasilien, ein Land mit einer ganz fremden Kultur und einen ziemlich fremden Glauben, wenigstens wenn man es mit den Augen der damaligen Zeit betrachtet? Ebenso unsere Vorväter, die nach Polen zogen, weil sie sich ihres Lebens in Holland nicht mehr sicher waren; weil sie in Polen auch bessere Möglichkeiten sahen, für sich und ihre Kinder eine Zukunft aufzubauen. Auch war die Gegend um Danzig, heute Gdansk, nicht allzu weit von der Heimat in Holland entfernt. In gerader Linie sind es etwas über tausend Kilometer. Damals war die Verbindung mit Schiff und wird wohl einige Tage gedauert haben. Nordamerika war damals noch kein Ziel, seine Besiedlung begann erst im 17. Jahrhundert.

   Die Weichselniederung war holländischen Seeleuten schon bekannt, denn sie verkauften in Danzig ihre Waren. Auch die Wiedertäufer kamen auf diesem Wege nach Danzig und konnten hier ihre relative Freiheit nutzen. Die Danziger Niederung gehörte mal den Polen, mal zu Preussen. In Ostpreussen gab es Anfang des 16. Jahrhunderts Täufer, bevor Menno Simons in diesen Gebieten auftauchte. Bereits 1535 wurden schon Edikte gegen sie veröffentlicht.

    Ein weiterer Grund für diesen Umzug: Dort herrschte größere Freiheit. Die Herrscher (die meisten entweder römisch-katholisch oder lutherischen Glaubens) waren toleranter und untereinander uneinig. Wenn der eine die Mennoniten als Ketzer bezeichnete, hiess der Nachbar diese tüchtigen Bauern willkommen. Dadurch hielt sich meistens auch der erste mit seinem Missmut zurück, denn mennonitische Bauern legten Sümpfe trocken, machten Land fruchtbar, brachten Reichtum und Steuern.

    Obwohl diese ersten Mennoniten in Polen nun weit weg von zu Hause waren, war ihnen vieles von der neuen Umgebung vertraut. Die flachen Sümpfe, die weiten Ausblicke bis zum Horizont, die Entwässerungsgräben in der Nähe, sogar der allgegenwärtige anhaftende Schlamm erinnerten sie an die Erd- und Wasserwerke Hollands.

   Den Mennoniten war die Landgewinnung vom Meer gut bekannt, denn die meisten kamen aus Holland, wo die Landschaft der von Danzig sehr ähnlich war. Land war wenig vorhanden, und jeder Flecken musste dem Meer regelrecht abgekämpft werden. 100 Jahre haben die Mennoniten Gräben von Hand gegraben und Schleusen gebaut. Es war eine sehr schwere Arbeit. Ein Autor schreibt, dass achtzig Prozent der Mennoniten an Sumpffieber gestorben sind. Wie Horst Penner es ausdrückte, brauchte es drei Generationen, um niederländische Ordnung in das wilde Land Polens zu bringen: „Die erste Generation hatte den Tod, die zweite die Not, die dritte das Brot“. Allmählich entstand entlang der Ostsee ein neues Holland.

   Die niederländischen Mennoniten waren Experten in der Kunst, Sumpfgebiete durch Deiche und Kanäle zurückzugewinnen, und so wurden sie wegen ihres wirtschaftlichen Wertes herzlich willkommen geheißen, wo sie sonst nur ernsthafte religiöse Verfolgung erwartet hätten. Ungefähr hundert Quadratkilometer Land, das kürzlich vom Meer überschwemmt wurde, wurden zurückgewonnen, zusammen mit vielen alten Sümpfen, die noch nie zuvor gepflügt worden waren. Deiche wurden repariert und viele weitere gebaut. Schleusen wurden installiert, Entwässerungsgräben und Kanäle gebaut und Windmühlen errichtet. Es dauerte hundert Jahre. Die Häuser wurden, wie in Ostfriesland, auf kleinen künstlichen „Inseln“ errichtet, die sich über der Ebene erhoben. Aus diesem Grund wurde die gleiche architektonische Einheit von Haus-Scheune-Stall beibehalten.

    Diese ersten mennonitischen Siedlungen wurden zu einem blühenden Zentrum, von dem aus sich der niederländische Einfluss über hundert Meilen das Flusstal hinauf ausbreitete.

    Die Friesen, meist Bauern, ließen sich auf dem offenen Land nieder, während die Flamen sich häufiger in den Städten niederließen.

    Diesen Flüchtlingen wurde neben anderen Privilegien religiöse Duldung als eine der Bedingungen ihrer Ansiedlung an der Weichsel zugesichert. Zunächst lebten sie in isolierten Gruppen auf bisher dünn besiedelten Ländern und konnten ein ruhiges und unbehelligtes Leben führen. Aber mit der Zeit, als sie sowohl auf dem Land als auch in der Stadt an Zahl zunahmen und wohlhabend wurden, wurden die einheimischen Bürger eifersüchtig auf den Wohlstand dieser sparsamen und nüchternen holländischen Bauern und Handwerker, die eine fremde Sprache sprachen und eine verbotene Religion praktizierten. Sie wurden zwar nicht mehr auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder gar eingesperrt, wie es in anderen Staaten der Fall war, aber sie wurden häufig in der freien Ausübung ihrer Religion behindert und erhielten nicht sofort die vollen Bürgerrechte. Bereits 1550 beschwerten sich Elbinger Bürger beim polnischen König, dass „diese Täufer uns das Brot aus dem Mund nehmen“, woraufhin der König eiligst beschloss, sie innerhalb von vierzehn Tagen aus der Stadt zu verweisen. Einige von ihnen gingen, aber der Stadtrat mischte sich zu ihren Gunsten ein, der Befehl wurde nie strikt ausgeführt. Wenig später fügte auch die Geistlichkeit ihre Proteststimme hinzu, und der Verbannungsbefehl wurde wiederholt, aber wieder verzögert. Nach mehrmaligem Verschieben des Ausführungstermins geriet er schließlich in Vergessenheit.

   In Danzig machten die Mennoniten eine ähnliche Erfahrung. 1572 wurde der König veranlasst, einen Befehl zu unterzeichnen, der sie aufforderte, das Land zu verlassen, aber der katholische Bischof, dessen Ländereien sie zu einem hohen Stand der Entwicklung gebracht hatten, griff zu ihren Gunsten ein und der Befehl wurde nicht ausgeführt.

   Gott bestrafe Danzig, „das Nest der mennonitischen Sekte“, sagte einer, weil die Stadt sie in ihrem Zuständigkeitsbereich tolerierte. "Man kann leicht sagen", sagte ein anderer, "ob ein fauler, betrunkener Bauer den Boden bestellt oder ein nüchterner, fleißiger Mennonit. Lieber mehr einladen, als die schon hier zu vertreiben." Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein versuchten oft eifersüchtige Nachbarn und fanatische Geistliche, die Mennoniten aus dem Land zu vertreiben.

    Die polnischen Könige hielten, sofern nicht durch Sonderinteressen gedrängt, die zunächst gemachten Versprechen ein und bewachten ihre Privilegien. Diese Privilegien wurden häufig von aufeinanderfolgenden Königen bestätigt. Darin versprach man den Mennoniten alle Rechte, die ihnen am Anfang gewährt wurden, einschließlich des Rechts, in ihren öffentlichen Häusern Gott zu verehren, ihre eigenen Schulen und Lehrer zu haben, ihre Glieder zu taufen und die Toten auf ihren eigenen Friedhöfen zu bestatten.

    Gelegentlich wurden Mennoniten, ebenso wie Juden, von Regierungsbeamten mit Unterdrückung bedroht, um Geld von ihnen zu erpressen. 1642 überzeugte Willibald von Haxberg, Minister von König Wladislaw IV., den König davon, dass die Mennoniten den Kaufleuten von Danzig und Elbing große finanzielle Verluste verursacht hatten und ihr Eigentum aus diesem Grund beschlagnahmt werden sollte. Der König ermächtigte Haxberg, das Eigentum zu beschlagnahmen. Vielleicht verzweifelt daran, den gesamten Besitz der Mennoniten zu sichern, versprach der schlaue Minister, sie gegen Zahlung eines bestimmten Lösegeldes in den früheren Privilegien ungestört zu lassen. Die Mennoniten beriefen sich vergeblich auf ihre früheren Urkunden. Von militärischer Gewalt bedroht, gaben sie nach. Haxberg erhielt etwa 50.000 Dollar von den Landkirchen.

    Noch 1750 erwirkten die Kaufleute von Danzig einen Befehl des Königs, der verlangte, dass die Mennoniten ihre Geschäfte und Geschäftsstellen schließen sollten. Nebenbei wurde ihnen jedoch zu verstehen gegeben, dass sie dem Unheil entgehen könnten, wenn sie dem bedürftigen und gierigen König eine bestimmte Geldsumme zahlen würden. Als ihm von den Mennoniten mitgeteilt wurde, dass sie aufgrund der jüngsten hohen Kriegsabgaben keine weiteren finanziellen Belastungen tragen könnten, schlug der König vor, dass sie Hilfe von ihren wohlhabenden Brüdern in den Niederlanden erhalten könnten. Der Vorschlag wurde angenommen, aber die Hilfe der Holländer entsprach nicht genau der erwarteten Art.

    Der König war jedoch hartnäckig, und nur durch die finanzielle Hilfe ihrer Brüder konnten die Danziger Mennoniten den hohen Beitrag leisten und durften so ihre Geschäftsstellen wieder eröffnen.

    Diese verschiedenen Privilegien erwähnten nicht alle ausdrücklich die Befreiung vom Militärdienst als eines der frühen Privilegien, aber sie war zweifellos eine der Bedingungen der ersten Siedlungen. Tatsächlich war die militärische Befreiung nicht auf Mennoniten beschränkt, aber Herrscher boten sie häufig als Anreiz für fleißige Ausländer an, die ihr unbesiedeltes Land besetzen wollten. Mennoniten wurden in Westpreussen nicht in die Armee gezwungen, aber manchmal gebeten, den Zivildienst zu ersetzen. Bei der Belagerung von Danzig im Jahr 1734 wurde ihnen die Aufgabe übertragen, die Stadt gegen die von den Belagerern eingeschleuderten Feuerbrände zu bewachen, eine Aufgabe, die sie erfolgreich erfüllten. Häufig wurden Mennoniten auch gezwungen, Ersatzsoldaten zu stellen und zu bezahlen. Teilweise wurde Freistellungsgeld gefordert. 1749 wurde in Danzig die Summe auf 5.000 Gulden für die Kirchen dieser Region festgesetzt.

   Manchmal waren die Neuankömmlinge so erfolgreich, dass einige Städte oder Landbesitzer ihnen Beschränkungen auferlegten, oft als Reaktion auf diejenigen, die den wirtschaftlichen Wettbewerb nicht mochten. Gleichzeitig fanden Mennoniten in einigen Fällen, in denen sie auf Widerstand stießen, schnell andere Dörfer oder Grundbesitzer, die sie willkommen hießen. Es gab immer einen anderen Ort, der neue Möglichkeiten bot. Diese tolerante Haltung hielt während der gesamten Zeit des Bestehens des Königreichs an. Eine andere Welt entstand, als Österreich, Preussen und Russland Ende des 18. Jahrhunderts Polen unter sich aufteilten.

    Als 1723 die Rekrutierungsagenten von Friedrich Wilhelm I. fünf wahrscheinlich junge Mennoniten für den Dienst in seiner berühmten Potsdamer Garde festnahmen, teilten die Mennoniten in der Tilsit-Siedlung dem König mit, dass sie verpflichtet wären, das Land zu verlassen, wenn ihnen ihre Privilegien entzogen würden. Der König war über diese Mahnung so unzufrieden, dass er sofort ihre Verbannung anordnete. Einige fanden zeitweise Zuflucht bei ihren Brüdern in Polnisch-Preussen, konnten aber später zurückkehren.

    Auf Fürbitte der holländischen Regierung und wichtiger Handelsinteressen in Preussen wurde der Orden zurückgezogen, und die Mennoniten durften unter der Bedingung bleiben, dass sie in ihrer Siedlung Wollfabriken gründen würden, da sie als besonders geschickte Weber galten. Die meisten Tilsiter Kolonisten, insgesamt etwa 600, hatten ihre Heimat jedoch bereits verlassen und waren in Richtung polnisches Preussen aufgebrochen. Mit der Thronbesteigung des toleranten und liberalen Friedrich des Großen im Jahr 1740 hörte die religiöse Unterdrückung vorerst auf, und Mennoniten durften sich überall innerhalb seines Herrschaftsbereichs ohne Belästigung aufhalten.

    Wie bereits erwähnt, kamen die Mennoniten der beiden Preussen hauptsächlich aus den Niederlanden. Der gesellschaftliche und religiöse Verkehr wurde viele Jahre lang mit der Mutterkirche gepflegt, und Niederländisch blieb die Sprache, in der Gottesdienste bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts abgehalten wurden. Von äußeren Einflüssen ausgeschlossen, indem sie sich in isolierten Kolonien niederließen, wichen sie wenig von ihren frühen Praktiken und Bräuchen ab. Die Stadtkirchen machten natürlich mehr Fortschritte als die auf dem Land. In den ersteren wurden die Geistlichen im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert häufig aus den Niederlanden importiert und hatten eine gewisse Ausbildung für ihren Beruf, aber auf dem Land wurden Prediger per Los aus ihrer eigenen Mitte ohne Bezugnahme auf andere besondere Qualifikationen ausgewählt, und in der Regel waren es die wohlhabenderen Mitglieder, da sie keine finanzielle Unterstützung erhielten.

Teil II

    Es gab drei Klassen von Geistlichen – Älteste, Prediger und Diakone. Die Ältesten unterschieden sich vom bloßen Prediger an der Macht dadurch, dass er nur die Riten der Taufe und des Abendmahls verwalten und Trauungen durchführen konnte.

    Die ersten Treffen wurden in Privathäusern mit wenig Zeremonie abgehalten. Das erste Gotteshaus errichtete die Gemeinde Montau 1586, in Elbing 1590. Zahlenmäßig wurde die Kirche im alten Preußen nie groß. 1774 zählte es ungefähr 13.500 Seelen, die ungefähr 80.000 Morgen Land besetzten. Etwa 1.000 davon lebten in Ostpreußen. Seitdem ist ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Auswanderung, Mischehen mit anderen Konfessionen, fehlender Missionsgeist und fehlende Bildungseinrichtungen haben die heutige Zahl auf knapp 11.000 Seelen gebracht, weniger als vor hundert Jahren. 

    Hätte die mennonitische Bevölkerung in Preußen während der letzten einhundertfünfzig Jahre mit dem natürlichen Wachstum des übrigen deutschen Volkes Schritt gehalten, müsste die mennonitische Gemeinde in Preußen auf über 100.000 gekommen sein. Viele gingen für die Kirche verloren, aber wenig neues Blut kam hinzu. Ein Statistiker zeigt, dass insgesamt etwa 369 Familiennamen vertreten sind, aber von diesen kaum mehr als ein oder zwei Dutzend die große Mehrheit der mennonitischen Bevölkerung umfassen. Zu den häufigsten Familiennamen gehören in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit:Penner (527), Dyk or Dick, Wiens, Wiebe, Claasen, Entz, Janz, Janzen, Freese, Harder, Ewert, Pauls, Neufeld, Fast,Franz, Friesen, Reimer, Epp, Klaasen, Regehr, Regier, Freiguth, Albrecht, Nickel, Peters (107), etc. Viele davon sind niederländischer Herkunft, einige deutsche und schweizerische.

   1772, ein paar Jahre vor dem Auszug, wurde Westpreußen unter Friedrich dem Großen mit Ostpreußen vereinigt, und seitdem hatten die Mennoniten in diesen beiden Provinzen eine gemeinsame Geschichte in Bezug auf ihre Beziehung zum Staat. Zu Beginn waren die Mennoniten dieser Provinz erfreut; denn Friedrich hatte sich tolerant gegenüber religiösen Meinungsverschiedenheiten gezeigt und den Mennoniten in Ostfriesland, dessen Provinz er geerbt hatte, bereits die Befreiung vom Militärdienst gewährt. Um die Gunst des Königs zu gewinnen und ihre Loyalität zu zeigen, überreichten die Mennoniten in der Nähe von Marienburg, als in dieser Stadt eine Feier zur Verkündigung des Treueids an den König abgehalten wurde, ihm eine Probe der Produkte ihrer Höfe : zwanzig Ochsen, vierhundert Pfund Butter, zwanzig Käsekuchen, fünfzig Hühner und fünfzig Enten. Gleichzeitig erinnerten sie ihn auch an die Privilegien, die ihnen die polnischen Könige gewährt hatten, und baten Friedrich, diese zu bestätigen. Im nächsten Jahr versprach ihnen der neue König: 1. Religionsfreiheit nach ihrer Sitte. 2. Das Recht, neue Kirchengebäude zu errichten. 3. Erlaubnis, eigene Schulen zu gründen. 4. Befreiung vom Militärdienst. 5. Das Privileg, den Eid durch eine Bekräftigung zu ersetzen. 6. Das Recht, in jede Branche einzutreten, die anderen offen steht. 7. Das Recht, ihre Toten auf ihren Friedhöfen zu bestatten.

    Diese Privilegien dauerten jedoch nur kurze Zeit. Der wachsende Geist des preußischen Militarismus verhieß nichts Gutes für die friedliebenden Mennoniten. Das Kriegsministerium, das befürchtete, dass das Wachstum der mennonitischen Siedlungen die militärische Macht des Staates schwächen würde, da der Militärdienst auf Landbesitz beruhte, beeinflusste den königlichen Rat, eine Anordnung zu erlassen, die den Mennoniten verbot, weiteres Land zu kaufen, es sei denn, der ursprüngliche Eigentümer sollte genug behalten, um die militärischen Verpflichtungen zu erfüllen. Der König änderte diese Anordnung später etwas und erlaubte Ausnahmen, falls seine Sondergenehmigung eingeholt wurde. Eine damals durchgeführte Volkszählung ergab, dass die Mennoniten über 80.000 Morgen Land besaßen.

    Sonderbefreiungen waren nun auch zu bezahlen. Am 20. Juni 1774 wurde ein Befehl erlassen, der mennonitische Gemeinden dazu zwang, jährlich anstelle des Militärdienstes die Summe von 5.000 Dollar für die Unterstützung der Militärakademie in Culm zu zahlen. Aus Angst vor weiteren Belastungen und Einschränkungen wünschten die Mennoniten nun, dass alle früheren Versprechen bestätigt und in Form einer schriftlichen Charta der Privilegien festgehalten würden. 1780 gelang es ihnen schließlich, sich das begehrte vom König unterzeichnete Dokument zu sichern, das praktisch alle Versprechen von 1773 mit den späteren Einschränkungen garantierte. Die lutherische Landeskirche bestand derweil weiterhin darauf, mennonitische Privilegien einzuschränken. Durch die Ausbreitung der letzteren wurde das materielle Einkommen der ersteren erheblich verringert.

   Bei der Thronbesteigung des neuen Königs Friedrich Wilhelm II. im Jahr 1789 überredeten sie ihn, ein Edikt zu erlassen, wonach mennonitische Grundbesitzer ehemals lutherischen Grundbesitzes gezwungen wurden, die lutherischen Pfarrkirchen, Schulen und Pfarrhäuser zu unterstützen. Die Kinder aus Mischehen sollten im Glauben des nicht-mennonitischen Elternteils erzogen werden. In Preußen durften keine Mennoniten mehr Häuser erwerben. Aber wenn ein vorgeschlagener Siedler Eigentum im Wert von 2.000 Dollar besaß, konnte er sich mit vorheriger Zustimmung des Königs in bestimmten eingeschränkten Regionen niederlassen. Er und alle seine männlichen Nachkommen im Alter von zwanzig bis fünfundvierzig sollten jährlich eine Sondersteuer von einem Dollar zahlen.

    Es war jetzt offensichtlich, dass sowohl Kirche als auch Staat entschlossen waren, das weitere Wachstum des Mennonitentums zu verhindern. Durch hohe Steuern behindert, nicht in der Lage, ein neues Zuhause für ihre heranwachsende Jugend zu finden, und voller Angst vor der Zukunft, suchten die preußischen Mennoniten nach einem neuen Zuhause, wo sie ihre Überzeugungen ohne staatliche Beschränkungen leben könnten.

    Nachdem sie mehrere Möglichkeiten in Betracht gezogen hatten, einschließlich Amerikas, beschlossen sie, die Einladung anzunehmen, die ihnen glücklicherweise wenige Jahre zuvor, 1786, von Katharina II. von Russland zuteil geworden war. Hunderte von Familien brachen in den folgenden Jahren auf, um in den fruchtbaren, aber trostlosen Steppen entlang des unteren Dnjepr ein neues Leben zu beginnen.

    In der ersten Periode besuchten sowohl Menno Simons als auch Dirk Philips die Mennoniten der Region. Dirk Philips, Mennos treuer Helfer, widmete viel Mühe der Pflege des christlichen Zeugnisses. Durch seinen Einfluss gewann die strenge flämische Partei viel Macht, die ausreichte, um die Assimilation mit der umliegenden polnischen und deutschen Gruppen zu bremsen.

    Der gesellschaftliche und religiöse Verkehr wurde über viele Jahre mit der Mutterkirche in Holland gepflegt. Die Stadtkirchen machten natürlich mehr Fortschritte als die auf dem Land. In den ersteren wurden die Geistlichen im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert häufig aus den Niederlanden importiert und hatten eine gewisse Ausbildung für ihren Beruf, aber im Land wurden sie per Los aus ihrer eigenen Zahl ohne Bezugnahme auf andere besondere Qualifikationen als diese ausgewählt wurden in der Regel aus den wohlhabenderen Mitgliedern ausgewählt, da sie von der Gesamtheit der Mitglieder keine finanzielle Unterstützung erhielten.

    Mindestens zweihundert Jahre lang wurde die niederländisch-mennonitische Kultur fast fehlerfrei gepflegt. Die niederländische Sprache wurde regelmäßig zu Hause und in der Kirche verwendet. Die Landwirtschaft wurde in traditioneller Weise betrieben. Familien wurden im mennonitischen Kreis ohne Unterbrechung weitergeführt. Die Namen gingen von Generation zu Generation weiter – Wiebe, Penner, Jantzen usw.

   Nach 200 Jahren begann jedoch die kulturelle holländische Identität zu bröckeln. Das Niederländische wurde um 1750 aufgegeben, als Hochdeutsch zur Schriftsprache und Plattdeutsch zur Alltagssprache wurde. Die ersten hochdeutschen Predigten wurden in Danzig 1772 gehalten. Mit dem Zerfall der Sprachbarriere waren die Mennoniten auch keine geschlossene Gesellschaft mehr. Einige Mischehen fanden statt, da auch schon die meisten Mennoniten untereinander verwandt waren.

    Aber auch der Glaube war mittlerweile abgeflacht. Als 1772 viele mennonitischen Gegenden unter preussische Herrschaft kamen und diese nun den Militärdienst der Jünglinge forderte, spaltete sich die Gemeinschaft, und nur ein Teil der Nachkommen der ursprünglichen mennonitischen Siedler leistete Widerstand und zog es vor wieder auszuwandern.

    Friedrich der Große, der Herrscher Preussens, dessen Hauptstadt Berlin war, war ein toleranter Mann, aber er war auch ein militärisches Genie. Die Mennoniten, die im 18. Jahrhundert zahlreich geworden waren, stellten eine Bedrohung für einen effizienten Militärdienst dar. Außerdem hatten sie als direkte Folge der grossen Fruchtbarkeit ihrer Familien ein Landproblem geschaffen, da sie immer neue Ländereien für Kinder und Enkel brauchten.

   Dazu kamen auch wiederholte Spannungen sowohl mit den Lutheranern der Deltaregion als auch mit den Katholiken des polnischen Territoriums. Die volle Freiheit gab es auch in Polen für die Mennoniten nicht: für jede Taufe mussten sie an die katholische Kirche Steuern zahlen, auch für jede Geburt und Eheschließung, und das bis 1924. 200 Jahre durften sie keine Kirchen bauen.

    Niederländische Siedler, hauptsächlich Mennoniten, eroberten eifrig Tiefland-Flussgebiete zurück und wurden unter den günstigen Siedlungsbedingungen ziemlich wohlhabend.

   Demzufolge sollten die Mennoniten Abgaben und Steuern an protestantische Kirchen und Schulen leisten, obwohl sie diese gar nicht in Anspruch nahmen und nicht deren Mitglieder waren. Also profitierte die protestantische Kirche davon, mit der die Mennoniten eigentlich nichts zu tun hatten. Aus der Sicht der Mennoniten war diese Gesetzesgebung des Kaisers Friedrich Wilhelm II. empörend und für sie nicht nachvollziehbar, denn sie wurden dadurch ohne weiteres gezwungen, sinnlos Geld ohne jegliche Gegenleistung auszugeben.

    Eines Tages wurden Mennoniten in Polen zu einem Gespräch mit einem Bischof eingeladen!

    Man kann sich nur das große Drama vorstellen, das am 17. Januar 1678 stattfand, als mennonitische Führer, nur mit Bibeln und ihrem Verständnis der Schrift, Bischof Sarnowski gegenüberstanden, unterstützt von seinen Theologen und Anwälten. Elder Hendrik van Duhren, Führer der friesischen Mennoniten, war der erste, der befragt wurde. Er hatte seine Glaubensbrüder in den Niederlanden gebeten, bei der Ausarbeitung der Antworten mitzuhelfen. Wir haben handschriftliche Protokolle der Sitzungen. Da die Frage nach dem Arianismus aufgekommen war, war eine Frage nach der Trinität zu erwarten. Die Antwort, die den Glauben an einen dreieinigen Gott widerspiegelte, befriedigte offensichtlich die Vernehmer. Andere angesprochene Themen waren die Rolle der Heiligen Schrift, die Mittel der Gnade, die Bedeutung der Menschwerdung, die duale Natur Christi, die spezifischen Praktiken und Überzeugungen der Mennoniten und die Rolle des Staates. Auf die Frage, ob Katholiken auch Mitglieder der Familie Gottes seien, antwortete van Duhren, dass alle „heiligen Menschen“, die die Lehren Christi annahmen, an Gottes Errettung teilnahmen. Als van Duhren gefragt wurde, ob er glaube, dass der Papst der Antichrist sei, antwortete er mit „der stärksten Verneinung“.

    Nach van Duhrens Verhör erschien Hansen zusammen mit Delegierten seiner flämischen mennonitischen Kirche, um seine Verteidigung darzulegen. Er legte eine Kopie eines Glaubensbekenntnisses vor, zusammen mit Antworten auf achtundvierzig Fragen, die Mitarbeiter des Bischofs an seine Kirche gerichtet hatten. In den gedruckten Versionen heißt es, dass ein zusätzliches Exemplar „Seiner Königlichen Majestät in Polen, Johann III. in Dantzig“ übergeben wurde.

    Dieses Dokument war offensichtlich das erste in Königlich Preußen gedruckte mennonitische Bekenntnis. Die Führer der Gemeinde hatten Hansens Antworten sorgfältig geprüft. Eine Analyse der Antworten legt nahe, dass die Mennoniten entschlossen waren, zu zeigen, dass ihr Glaube auf der Heiligen Schrift ruhte, und so fügten sie viele Bibelzitate hinzu. Das Bekenntnis umfasste Aussagen über die Göttlichkeit und Menschlichkeit Christi, die Verantwortung des Christen gegenüber dem Staat, die Verweigerung von Eiden, das Jüngste Gericht und andere Themen. Auf die Frage nach der Ablehnung der Teilnahme am Krieg antwortete Hansen, dass das alte Sprichwort „Auge um Auge“ durch das Gebot Christi, seine Feinde zu lieben, ersetzt worden sei. Während die Mennoniten gute Bürger sein wollten, waren sie der Meinung, dass das Gebot Christi Vorrang vor früheren Aussagen über die Reaktion mit Gewalt hatte.

    Als das Verhör beendet war, berichtete Hansen, dass die Kirche nun von „Verdächtigungen“ befreit sei. Gleichzeitig merkte er an, dass dieser günstige Befund seine Kirche „einen hohen Geldbeitrag“ gekostet habe. Das war nicht besonders ungewöhnlich; bei einer anderen Gelegenheit berichtete Hansen, dass einige „Jesuitenväter“ mit der Bitte an ihn herangetreten seien, er solle zum Bau eines Turms für eine katholische Kirche beitragen. Hansens Kirche sammelte die Gelder und leitete sie weiter. Aber andere meinten, auch sie könnten an der ökumenischen Großzügigkeit teilhaben. Auch eine lokale lutherische Gemeinde bat um Unterstützung und bat um 300 Gulden für den Bau einer Kirche. Die Gelder wurden gesammelt; Hansen berichtete lakonisch, das Geld sei mit „großer Dankbarkeit“ entgegengenommen worden.

    Der Pfarrer, der analysieren wollte, was der Kaplan sagte, begann, die Predigt zu notieren. Dies wurde dem König gemeldet, der sofort Interesse an der Veranstaltung bekundete. Dem Minister wurde befohlen, vor dem König zu erscheinen, der laut Chronik den Minister fragte, was er geschrieben habe und warum. Funk antwortete, dass er ein mennonitischer Prediger sei und sich Notizen gemacht habe, weil er feststellen wolle, ob die Predigt biblisch sei. Die Antwort des Königs deutete darauf hin, dass er anscheinend etwas über den mennonitischen Glauben wusste. Er bemerkte, dass er wisse, dass die Mennoniten den Krieg nicht gutheißen, aber er würde gerne wissen, auf welchen Gründen sie ihren Glauben begründeten. Funk antwortete direkt: „Über die Schrift“. Berichten zufolge kommentierte der König: „Ich sehe, Sie sind ein Prediger. Ich möchte, dass Sie in meiner Gegenwart eine Predigt halten und zeigen, dass Krieg nicht erlaubt ist. Wann kannst du bereit sein?“ Funk antwortete: „In sechzehn Tagen. Aber ich möchte, dass Eure Majestät garantieren, dass dies keine Gefahr für mich darstellt.“ Der König antwortete schnell, dass seine Gnade Schutz gewährleisten würde.

    Nach 14 Tagen näherte sich Funk dem Armeelager und wurde zum König gebracht, der fragte: „Bist du bereit?“ „Ja, Majestät“, antwortete Funk. Der König wandte sich dann an seine Begleiter: „Meine Herren! Ich habe diesen mennonitischen Prediger beauftragt, in meiner Gegenwart eine Predigt über den Krieg zu halten und zu zeigen, dass nach den grundlegenden Lehren der Mennoniten und dem Zeugnis der Heiligen Schrift Krieg nicht erlaubt ist. Sie werden aufmerksam zuhören und nicht unterbrechen.“ Damit wandte sich der König an Funk und sagte: „Du darfst sprechen.“

    Funk wandte sich an den König und seine Begleiter und begann zu predigen. Er behauptete, dass das Kämpfen im Krieg in vielen Passagen der Heiligen Schrift verboten sei. Am Ende der Predigt, der die Anwesenden sehr aufmerksam zugehört hatten, fragte der König, ob jemand nicht einverstanden sei. „Nein“, kam die Antwort. Der König entließ daraufhin die Versammlung und sprach allein mit Funk. „Sie haben Ihre Position sehr klar zum Ausdruck gebracht, aber mir ist nicht klar, dass jeder Krieg von der Schrift verboten ist. Es muss einige Ausnahmen geben.“ Funk antwortete: „Wenn Ihre Majestät es erlaubt, möchte ich feststellen, dass es keine Ausnahmen gibt.“ Der König antwortete: „Überhaupt keine?“ Funk antwortete: „Möglicherweise könnte es eine Ausnahme geben, wenn ein König in seinem eigenen Reich angegriffen wird.“ Aber sicherlich gab es keine biblische Rechtfertigung für die Invasion eines anderen Landes. Der König, der entschlossen war, Torún zu erobern, erklärte Berichten zufolge, dass er bei der Eroberung dieses wichtigen Zentrums so wenig Verluste wie möglich verursachen werde.

Ende

​​

bottom of page