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   Seite 3

  Ich greife nun wieder die Geschichte jener Mennoniten auf, die am Anfang der achtziger Jahre des 19.Jahrhunderts ins innerste Asien gezogen sind. Sie wollten nicht, dass ihre Jünglinge in den Militärdienst eingezogen werden sollten. Was aber ebenso wichtig scheint, bei einigen wenigstens, ist das Wiederkommen Jesu zu erleben gerade an dem Ort, wo er auf die Erde treten würde: im Innersten Asiens, nähe Afganistan, laut Prophezeiung von Klaas Epp. Wäre es nicht logischer zu erwarten, dass Jesus zuerst in Jerusalem wieder erscheinen würde?

   Sie waren in mehreren Einwanderergruppen nach Turkestan gekommen. Dieses Land war kürzlich von Russland eingenommen worden und darum würden die Jünglinge hier nicht vom Militärdienst befreit werden. Darum zog eine Gruppe 500 km weiter, nach Buchara. Siehe die Route  Taschkent --> Buchara (Hier). Das Land war eigenständig. Vorläufig wenigstens.

   Der folgende Bericht (vom 02.05.82) erzählt ihre nicht so erfreulichen Erlebnisse. Johannes Penner schreibt an Jakob Janzen, der in Taschkent geblieben war. 

    Geschrieben von der bucharischen Grenze am 11. Okt, 1881. Mein lieber Bruder Jakob Janzen! Den Frieden unseres Herrn Jesu Christi wünsche ich Dir, den Deinen und allen Brüdern zuvor!

   Zur Ruhe sind wir noch nicht gekommen; der Stand unserer Sache ist der: Vor ungefähr 5 Wochen sind wir aus Buchara ausgewiesen worden, nachdem wir dort eine Woche auf den Bescheid vom Emir gewartet hatten. Der Aufbruch mußte zwar schnell geschehen, (zwei Wagen waren zerbrochen, Fast's kleine Agnete sollte beerdigt werden, das Grab war schon fertig, es wurde aber kein Aufschub bewilligt, Fast mußte sein Kind als Leiche mitnehmen, und die Wagen mit den zerbrochenen Rädern wurden aufgeschleift, dennoch können wir nicht über Unbill klagen, einer der befehlenden Beamten beschenkte mehrere Kinder sogar mit Zucker. Man begleitete uns einige Werst ins Russische, und mit Buchara hatten wir vorläufig abgeschlossen.

    Sie wurden von Buchara ausgewiesen, Hals über Kopf. Familie Fast musste ihr verstorbenes Kind mitnehmen, es wurde ihnen keine Zeit für das Begrägnis gelassen. Der Beamte, dem dieses Ganze wohl peinlich war, schenkte ihnen Zuckerstücke, heute wären es Bonbons oder Schokolade. Sie mussten aber außer Landes ziehen, über die Grenze nach Russland.

    An dem Katte-Burganer Regierungschef (Natschalnik) fanden wir einen väterlichen Freund. Der eröffnete uns, daß sich zu beiden Seiten der russisch-buchararischen Grenze ein ziemlich großes Stück Ackerland hinziehe (ohne Bewässerung), das für Weizenbau sich eigne und ungefähr 16 Werst lang und eben so breit sei und Eigenthum zweier Moscheen in Samarkand sei. Wir erfuhren nun weiter, daß es Pachtland sei und der Pachtpreis für 1 Jahr in dreizehntel des Ertrages bestehe. Man rieth uns, in Samarkand mit den über das Land gebietenden Personen (ungefähr 6 Mullahs und 1 Kaufmann) die Ansiedlung auf dem Moscheenland abzuschließen. Wir schickten Herrn Janzen, Gerh. Esau und Cor. W. Penner hin.

    Nachdem sie eineinhalb Wochen dort gewesen waren, kamen sie unverrichteter Sache zurück. Die Mullahs sahen es zwar gerne und waren froh dazu, daß wir uns auf ihrem Lande niederlassen wollten, aber hiezu war außer der Genehmigung des Samarkandes Natschalniks auch die des bucharischen Emirs nöthig. Jener ertheilte sie sofort, dieser aber hatte eine Reise in südliche Gegenden unternommen, so daß längere Zeit über die Ankunft seiner Antwort vergehen würde. Das war das Resultat der Reise nach Samarkand.  Hier

   Also, an der Grenze wird ihnen ein Siedlungsland angeboten, auf der bucharischen Seite. Emir ist der regierende Fürst in einem islamischen Land. Da er verreist war, bekamen die Mennoniten keine Genehmigung, um das Land zu pachten.

    Am darauffolgenden Donnerstag erschienen wieder bucharische Beamten und geboten uns, Buchara zu verlassen, das Land, worauf wir uns befänden, wäre nicht Moscheenland. Man erwiderte ihnen, wir könnten unter keinen Umständen nach Rußland zurück, wir wären dort einem Gesetze verfallen, das wir nicht annehmen könnten. Darauf erlaubte man uns, auf das Moscheenland zu fahren, wo wir auf weitere Ordre warten sollten.

   Wieder ist die Rede davon, dass sie das Land verlassen sollen. Sie sagen aber, dass sie auf keinen Fall nach Russland zurückgehen können, denn dort gäbe es Gesetze, die sie "nicht annehmen könnten", nämlich die Militärdienstpflicht.

Später, 13. Oktober.

    Gestern kam ich nicht zum Schreiben, ich hatte in der Nacht von Sonntag auf Montag bei dem alten Dietrich Wiens, fr. Blumstein, der sehr krank hier ankam, gewacht. Während wir die Abendandacht hielten, ist der leidende Bruder von diesem Pilger- und Jammerleben erlöst worden. Gott gebe ihm in Gnade das Erbtheil, das uns bereitet ist von Anbeginn der Welt.

   In Kurzem habe ich Dir den Stand der Dinge mitgetheilt. Der Heiland sagt „In der Welt habt ihr Angst,“ das erfahren wir reichlich; Er fährt fort „Aber seid getrost, denn ich habe die Welt überwunden.” Da lernt man, den Beruf für die Ewigkeit im Glauben ergreifen. Die Erde versagt uns Alles.

    Er hat am Sterbebette eines Glaubensbruders gewacht. Er bekennt, dass sie "in der Welt reichlich Angst" erleben. Wer wollte dieses bezweifeln? Mitten fremder Menschen in unbekannter Kultur und Sprache, ständig bedrängt und bedroht, nach Russland zurückkehren zu müssen. "Da erlernt man, den Ruf für die Ewigkeit im Glauben zu ergreifen".

    Ich kann nicht anders, als diese Glaubensbrüder zu bestaunen, was für immense Opfer sie bringen, um ihren Glauben in der Praxis auszuleben. "Die Erde versagt ihnen alles", aber den Ruf, den sie von Gott gehört haben, geben sie nicht auf.

    Wie dunkel will es einem da so oft vor den Augen werden, aber dem Gerechten muß das Licht immer wieder aufgehen in der Finsterniß, und durch Christi Blut sind wir Gerechte. Mein Theurer, ich hätte wohl Manches Dir zu sagen, aber wie kann Tinte und Feder das lebendige Wort ersetzen! Ich habe mich sehr gefreut, daß Ihr, wie ich aus Briefe des Br. Corn. Dyck und Br. P. Quiring ersehen habe, auch nachzukommen gedenkt. Wohin? Nun, Gott kann seine Verheißungen nicht unerfüllt lassen. Lasset uns rufen Tag und Nacht, dass Er uns errette im einer Kürze.

    Ich sprach, heute mit Onkel Klaaßen (er war recht leidend jetzt etwas besser) über Eure Lage; er sagte „Der Tag, an dem wir mit den Molotschnaer Brüdern vereinigt würden, würde mir ein Festtag, ein Tag hoher Freude sein.” Die Stimme zitterte ihm vor innerer Bewegung.

   O Brüder, Gott hat es zwar zugelassen, daß es zur Trennung gekommen ist, aber Er kann es nicht zulassen, daß wir getrennt bleiben. Kann Gott denn schweigen, wenn Ihr und wir eine Bitte vor seinen Thron bringen, die Bitte um Einigkeit in Ihm? Und wenn Er unser armes Gestammel zurückwiese, so kann Er doch nicht die Bitte seines Sohnes, unseres Vertreters, Joh 17, 11., überhören. Die Einigkeit im Geist, umschlungen vom Bande des heiligen und heiligenden Friedens werde unser gemeinsames Eigenthum. Die Gemeine Jesu muß einig werden in Ihm. Laßt uns nicht fragen: Wie soll es aber werden? Da bin ich auch mit meinen Gedanken am Ende, aber wir wollen rufen und glauben, daß es werden soll. Wenn Gott und wir wollen, was soll uns dann wohl hindern!

Er spricht davon, dass es zu einer Trennung kam. Meint er vielleicht damit, dass es eine Entzweiung gab, einen Streit? Er beschwört die Einigkeit im Glauben: "Die Gemeine Jesu muß einig werden in Ihm. Wie soll es aber werden? Da bin ich mit meinen Gedanken am Ende."

   Wenn Gläubige aus verschiedenen Gegenden zusammenziehen, mit unterschiedlichen Traditionen, dann gibt es oft Streit und Uneinigkeit, so wie bei unseren Vätern am Kraul.

    Lieber Bruder, schreibe doch einmal. Ich habe gehört, daß du wieder Schule hältst, Gott segne dich und stärke dich mit seiner Liebe und Geduld. Daß Bruder Abr. Peters noch immer recht leidend ist, schmerzt mich; Gott erhalte ihn. Brüder, ich habe Euch lieb, o liebte ich stärker! Grüße Br. Peters sehr von mir, und besonders von Onkel M. Kl. der ebenso auch dir seinen Gruß entbietet. Grüße alle liebe Amtsbrüder, Br. Abraham Wiebe und Braun. Cornelius Waller sind ganz in eurer Nähe, meine herzlichsten Grüße an die ganze liebe Familie, sowie auch von meiner Frau, diese grüßt auch dein liebes Weib. Seid ihr alle gesund?

    Gott stärke uns in den trübsalsvollen Tagen der fluchbeladenen Erde. O, wie viel banges Sehnen, Seufzen der Kreatur und der Kinder Gottes! Gott helfe uns durch Jesum in die Heimath Jerusalem, das droben ist, die ist unser aller Mutter. O Bruderherz, wie wird uns sein, wenn wir durch die Perlenthore Salems einziehen und die Wohnungen, die Jesus uns bereitet hat, beziehen werden? da werden unsere Hallelujahs noch so viel „Kyrie Eleisong“ dem Throne Gottes und des Lammes entgegenhallen mit starkem Siegesgeschrei „Ueber ein Kleines,” Wer weiß, wie bald? In herzlicher Liebe dein nach dem obern Jerusalem mitpilgernder Bruder Joh. Penner

1882-02-05

   Gibt es etwas dass Du, lieber Leser, an diesen Glaubensbrüdern beneidest? Sicherlich nicht ihre Schmerzen, ihr Zagen, ihre Verwirrung. Aber ist es nicht ein bewundernswerter Glaube, der sie beflügelt und stärkt? Siehst du so etwas in deiner Umgebung, in deiner Gemeinde?

Die Mennonitische Rundschau vom 1. Mai 1882 gibt folgenden Bericht aus einem "Gemeindeblatt" wieder über Usbekistan, dessen Hauptstadt Buchara ist und über die Schwierigkeiten, die über die eingewanderten Mennoniten einbrechen.

    „Soll ich nun noch von Land und Leuten berichten, so gibt es da wohl recht viel zu berichten. Das Land, so weit es bewässert werden kann, ist sehr ertragsfähig, es gibt jährlich zwei Ernten. Die Bewässerung versehen die Bewohner aus dem Grund, so daß es mitunter fast scheint, als wenn das Wasser gegen den Berg läuft. Das Land ist in kleine Stücke eingetheilt, damit es mehr eben zu machen ist, dann ist es mit kleinen Kanälen durchzogen, die das Wasser aus den nahen Flüssen, die meistens einen sehr starken Fall haben, herbeiführen.   

    Der Baumwuchs ist prächtig, und wird auch sehr viel gepflanzt, so daß die bewohnten Ländereien waldähnlich aussehen. Selbst auch in den Städten, die hier alle nach der neuesten Art angelegt werden, wird viel gepflanzt. Besonders prächtig ist die Umgegend von Samarkand, ein wahres Eden. Die Bewohner des Landes sind sämmtlich Muhamedaner, ihre Religion sei aber sehr im Sinken. Sie gehen im Stumpfsinn dahin.

    Es ist also ein sehr schönes Land, für eine Ansiedlung passend, obwohl es bewässert werden muss. Den Glauben der Einwohner sieht man im Sinken, was von heutiger Sicht als eine Fehleinschätzung betrachtet werden muss.

Die Mennonitische Rundschau vom 1. Mai 1882 gibt folgenden Bericht aus einem "Gemeindeblatt" wieder über Usbekistan, dessen Hauptstadt Buchara ist und über die Schwierigkeiten, die über die eingewanderten Mennoniten einbrechen.

    „Soll ich nun noch von Land und Leuten berichten, so gibt es da wohl recht viel zu berichten. Das Land, so weit es bewässert werden kann, ist sehr ertragsfähig, es gibt jährlich zwei Ernten. Die Bewässerung versehen die Bewohner aus dem Grund, so daß es mitunter fast scheint, als wenn das Wasser gegen den Berg läuft. Das Land ist in kleine Stücke eingetheilt, damit es mehr eben zu machen ist, dann ist es mit kleinen Kanälen durchzogen, die das Wasser aus den nahen Flüssen, die meistens einen sehr starken Fall haben, herbeiführen.   

    Der Baumwuchs ist prächtig, und wird auch sehr viel gepflanzt, so daß die bewohnten Ländereien waldähnlich aussehen. Selbst auch in den Städten, die hier alle nach der neuesten Art angelegt werden, wird viel gepflanzt. Besonders prächtig ist die Umgegend von Samarkand, ein wahres Eden. Die Bewohner des Landes sind sämmtlich Muhamedaner, ihre Religion sei aber sehr im Sinken. Sie gehen im Stumpfsinn dahin.

    Es ist also ein sehr schönes Land, für eine Ansiedlung passend, obwohl es bewässert werden muss. Den Glauben der Einwohner sieht man im Sinken, was von heutiger Sicht als eine Fehleinschätzung betrachtet werden muss.

    Im folgenden Abschnitt wird über die zunehmende Feindlichkeit gegenüber den Mennoniten berichtet:

   Gegen die Mennoniten seien sie anfänglich sehr freundlich, aber wenig zugänglich gewesen, bis ihr Fürst sie austreiben ließ. Es sind kürzlich wieder recht betrübende Nachrichten von dem Ergehen dieser Brüder eingetroffen. Es wird in einem Brief berichtet, es seien eines Tages viele Weiber aus Buchara erschienen und hätten ihre Erdhütten (der Mennoniten), die sie sich zwischen Rußland und Buchara erbaut hatten, zerstört, warfen Alles über und durcheinander.

    Die ganze Gesellschaft mußte wieder aufbrechen und gegen die russische Grenze ziehen. Eine Frau in Kindesnöthen mußte auf dem Wagen und in ihren Schmerzen Stunden weit fahren, wo dann die Stunde ihrer Geburt kam. Früher lag eine Frau im Sterben, begehrte bei einer Kälte von 12 Grad vom Wagen in eine warme Stube zu kommen, diese Bitte konnte ihr aber nicht gewährt werden. Sie sind nun wieder auf russischem Boden, wollen jedoch wie in diesem Briefe bemerkt wird, abermals nach Buchara aufbrechen, denn dies sei das Land, das ihnen der Herr gegeben habe....... „Gemeindebl.“

1882-05-01

 

    In der Nähe zur russischen Grenze aber auf bucharischer Seite wohnen die Mennoniten in "Erdhütten". Der grössere Teil der ausgewanderten Mennoniten ist im Turquestan geblieben. In Buchara beobachten wir jetzt einen kleineren Teil. Es sind jene, die unbedingt ins Ausland gehen wollen, um ja nicht unter die Gesetze Russlands zu fallen.

    Jetzt werden sie plötzlich gezwungen über die Grenze zu gehen, zurück nach Russland, ohne daß man darauf Rücksicht nimmt, daß sich eine Frau in Geburtswehen befindet oder die sterbende Mennonitin, die sich in ihren letzten Stunden nach einer warmen Stube sehnt.

    Aber ihr Glauben duldet keine Hindernisse, obwohl von Buchara ausgewiesen und von den Einwohnern gehasst, bleibt es "das Land, das ihnen der Herr geben habe".

Aus einer anderen Schrift jener Zeit, "der Wächter" wird folgender Bericht entnommen, der uns nun in weitere Aspekte der plötzlichen Vertreibung der Mennoniten einblicken lässt.

    Von dem schlimmen Ergehen der aus Buchara vertriebenen Men. Brüder bringt „der Wächter‘ weitere Nachrichten, wovon „das Gemeindeblatt“ folgendes mittheilt:

   „Ein bucharischer Beamter kam eines Tages mit einem Trupp Soldaten in das Dorf von Erdhütten eingeritten und befahl auf das Gebot des Emirs (Fürsten) die sofortige Räumung des Platzes. Dabei machte er das Anerbieten, so viele Kameele und Karren zu stellen, als die Gesellschaft verlangen würde und zum Fortbringen aller ihrer Habe notwendig wäre. Auch wollte er nicht, wie er sagte, sie über die Grenze, sondern nur etwa 80 Werst weiter nach einer Stadt schaffen. Im Weigerungsfalle würden sie aber mit Gewalt über die Grenze gebracht werden.

    Es hatte der russische Gouverneur wiederholt der Gesellschaft Winterquatiere auf der russischen Seite in einem Sardendorf anbieten lassen, die sie dann schließlich auch nothgedrungen annahmen. Die Brüder, im Glauben, daß sie durch ihre bisherige Nachgiebigkeit und ihr Menschengehorchen dem Namen ihres Herrn und Bräutigams nur Schande gemacht hätten, entschlossen sich, unter heißem Ringen mit Gott im Gebet, des Abweichens nicht mehr zu machen, sondern auf dem Plane, den ihnen der Herr geschenket und Zeugniß gegeben hatte, daß es der rechte sei, auszuharren. Das war an einem Dienstage.

     Die Soldaten unternahmen an diesem Tage weiter nichts, als daß sie ein Zelt aufzurichten suchten, da dies aber des starken Windes wegen nicht ging, sich in den Hütten einquartirten. Mittwoch Abend ließ der Beamte zwei noch nicht bezogene Erdhütten zuschaufeln. Donnerstag schickte er einen Boten an seinen Vorgesetzten ab. Dieser kehrte gegen Abend zurück und überbrachte den Befehl des höheren Beamten, daß vier Brüder vor ihn gebracht werden sollten.

    Nun redeten die Bucharen den Brüdern zu, daß sie den höheren Beamten nur um Aufschub des Abzugs bis zum Frühling bitten sollten, der Kranken und Kinder halber. Die Brüder sahen in solchem Rath eine listige Versuchung des Feindes. Aber so oder anders, ihrer viere mußten — es war heller Mondschein — in die Nacht hinausreiten. Sehr weit war es übrigens nicht. Dort vor dem Oberbeamten erklärten sie, daß sie dem Befehle zum Abzuge nicht gehorchen dürften.

    In Folge dessen wurden ihnen die Hände auf dem Rücken zusammengeschnürt und sie unter Wache gestellt. Nachmittags kamen die viere zurück und zugleich mit ihnen erschien der Bed (Oberbeamte). Dieser gab Befehl, die Wohnungen zu zerstören. Die Soldaten legten Hand an, aber trozdem, daß die Beamten mit „Prügeln” in der Hand zur Eile trieben, ging das Zerstörungswerk nur langsam vorwärts, wie wenn eine höhere Hand gewehrt hätte.

   Kamen sie an eine Wohnung, so wurden zuerst die Fenster eingeschlagen, wonach die Bewohner hinausgingen und dann das Zerstörungswerk vollendet wurde. Daneben packten sie ab und zu einen von den Brüdern mit Gewalt auf ein Fuhrwerk und fuhren mit ihm ab. Gegen Frauen und Kinder blieben sie jedoch mehrentheils freundlich. Als es Abend wurde, stand noch über die Hälfte Wohnungen unversehrt, und hieß man die Familien, welche seit Zerstörung ihrer Hütten unter freiem Himmel lagerten, zu den Andern in die unversehrten Hütten gehen. Sie fanden auch alle Raum darin und verharrten die ganze Nacht im Gebet und Schreien zum Herrn um Hilfe und Kraft.

    Sonnabend Morgens sollten alle aus den Hütten hinaus, und als man gutwillig nicht ging, wurde, (doch erst Nachmittags) Gewalt gebraucht. Alles zertrümmert und die ganze Gesellschaft fortgetrieben. Wie es da herging, kann man sich schon ohne ausführliche Schilderung denken. Es waren dies und die folgenden Tage, bis sie, wie schon erwähnt, in dem Sardendorfe untergebracht waren, sehr schwere, wie sie solche noch nicht erlebt hatten, ein Gang nach Gethsemane und von da nach Golgatha, wo sie erst recht die Fußstapfen ihres Herrn und Bräutigams erkennen und darin, wie es keiner Braut gezieme, nachfolgen lernten.

    Und nun? Sie glauben, daß sie bald wieder nach jenem Ort, von dem sie vertrieben, zurückkehren werden; denn es ist und bleibt der Ort (nach ihrer Meinung), welchen der Herr für seine Letztgemeinde zubereitet hat. Mit Iob- und dankerfülltem Herzen rühmen und preisen sie die Wege Gottes und bekennen es frei vor aller Welt: Die Wege des Herrn sind richtig, wenn’s auch dornenvolle Kreuzeswege sind. Der Herr hat sie, die Letztgemeinde, nicht sie ihn erwählt und will sie würdig machen zu fliehen vor dem, wenn Er kommt, und will sie herrlich machen, wenn Er gekommen ist. Die Wege des Herrn sind wunderbar, das erfahren sie, und herrlich führt Er es hinaus, das glauben sie.‘

1882-06-01

    Man kann es kaum glauben und verstehen, was diese Leute für den Herrn machen, wie es sie tatsächlich von Gethsemane nach Golgatha verschlägt, unaufhörliche Leiden. Sie sahen sich aber als die "Letztgemeinde", DIE Gemeinde der letzten Wochen vor der Wiederkunft des Herrn. Kein Leiden war zuviel.

    Obwohl wir heute wissen, dass es ein Irrweg war, war ihr Glaubenseifer und ihr überzeugtes Handeln nicht bewundernswert?

    Aber man fragt sich auch: wie gehen wir heute vor, um Glaubenseifer von blindem irreführendem Fanatismus zu unterscheiden?

    General Tschernajeff ist an Stelle des verstorbenen Generals von Kaufmann zum General-Gouverneur von Turkestan ernannt worden.

1882-06-01

    In der folgenden Nachricht merken wir, wie sehr die Mennonitenschaft der ganzen Welt die Ereignisse in Asien verfolgt. Alle spüren, dass da etwas Außergewöhnliches geschieht. Viele fragen sich: Hätten sie nicht auch mitziehen sollen, zu dem Ort an dem Jesus die Erde in den kommenden Tagen wieder betreten würde? Oder folgen diese Brüder überhaupt Hirngespinste?

    Die Leser der Mennonitischen Rundschau können es kaum erwarten, bis die nächste Nachricht kommt.

    Keine Nachrichten von den Brüdern in Asien! das ist schmerzlich und unerklärlich zugleich. Schreiber dieses kann nicht anders, als annehmen, die Briefe von Taschkend aus, vielleicht auch die von hier sind verloren gegangen, denn wiederholt wurde an Br. J. Janzen geschrieben. Obschon durch H. E. Stieda regelmäßig eine Sendung „Rundschau“ nach Asien geschickt wird, so ist es doch möglich, daß die Lieben in der Ferne das Blatt nicht einmal erhalten.

1882-07-01

    Nun folgt ein sehr aufschlussreicher Text. Zum ersten Mal wird ausdrücklich erwähnt, wie sehr die Auswanderer untereinander zerstritten sind.

    Einleitend wird noch mal berichtet, wie schwer es war bis nach Turquestan zu kommen:

    Ein Aeltester der Mennoniten an der Wolga schreibt seinem Freunde und Mitdiener N. E. an der Molotschna über das Ergeben der nach Buchara gegangenen Mennoniten unter Anderm folgendes:

    „Die Nachrichten von unsern nach Taschkent und Buchara ausgewanderten Brüdern lautet so traurig wie möglich. Die zuletzt Ausgewanderten haben in der Stadt Turkestan, etwa noch 300 Werst von ihrem Ziele überwintern müssen. Die Strenge des Winters, und die Maße des gefallenen Schnees überstieg Alles was bis dahin von den ältesten Leuten in dieser Beziehung dort erlebt worden ist. Was haben doch die Armen alles durchmachen müssen. Monate lang Tag für Tag, Nacht für Nacht, bei 16 bis 25 Gr. Frost, entweder draußen, oder in den kalten Wagen sich aufhalten zu müssen, ohne auch nur einmal in einer warmen Stube sich erwärmen zu können, das ist in der Geschichte der Auswanderung unserer Glaubensgenossen von Alters her bis auf unsre Zeit etwas Unerhörtes. Einigen jungen Leuten, die Fahren mußten und sich durch Laufen nicht erwärmen konnten, sind die Zehen derart erfroren, daß ihnen dieselben jetzt in Turkestan von den Aerzten haben abgenommen werden müssen, ja von Einem wird gesagt, auch sogar die Füße; bei alle dem sind auch Entbindungen vorgekommen, wobei aber Mutter und Kinder ganz gesund geblieben sind, so daß deretwegen die Weiterreise nur jedesmal einen, höchstens zwei Tage hat aufgeschoben werden dürfen.

    Wie kalt muss es gewesen sein, dass den Menschen die Zehen abgefroren sind? Und jetzt in der Fremde, als Behinderte ein neues Leben aufzubauen!

    Dieser Text entstammt wohl von jemandem, der in Chortitza oder Molotschna geblieben ist, also, der zu Hause geblieben ist und nun einen allgemeinen Überblick gibt, wahrscheinlich anhand von Briefen die von Ausgewanderten an die Zurückgebliebenen geschickt wurden.

    Ihr unfreiwilliger langer Aufenthalt in Turkestan hat aber für unsre Brüder dort auch sein Gutes gehabt. Die größere Hälfte der Gesellschaft ist nüchterner geworden, ihnen sind über Vieles die Augen aufgegangen, so besonders auch über ihren Leiter und Führer Kl. Epp, den sie jetzt als einen Verführer und Irrlehrer halten. Sie haben die Absicht, sobald die Wege erst wieder fahrbar werden, nach Taschkend zu fahren und mit den Molotschnaern zusammen anzusiedeln, wo ihnen die Regierung Land dazu anweisen wird.

    K. Epp mit seinen Anhängern dagegen wird nach Buchara fahren, um mit den dort auf der Grenze, jetzt auf russischer Seite Lagernden, vor zwei Jahren Ausgewanderten sich zu vereinigen. Diese haben die Absicht zum Frühjahr wieder auf die bucharische Seite zu ziehen, von wo sie im Herbst von der bucharischen Regierung mit Gewalt vertrieben worden waren, nachdem sie ihnen die Erdhütten über dem Kopf zusammen gerissen hatten.

    Klaas Epp wird zum ersten Mal als Verführer bezeichnet, ein Irrlehrer. Er war noch im Turquestan geblieben, zieht aber nun mit seiner Gruppe zu denen, die schon im Ausland sind, in Buchara, aber von dort vertrieben worden sind.

    Trotzdem schreiben sie, daß ihnen das Land von Gott zum Bergungsort gegeben und vom heiligen Geist in ihrem Herzen versiegelt sei, sie werden dort hinziehen und keine Macht der Erde werde sie von dort wegbringen. Mit einer weltlichen Behörde brauchten sie dieserhalb nicht in Unterhandlung zu treten, denn ihre hohe Berufung verbiete es ihnen, mit der Welt in irgend einen Bund zu treten, sie würden sich dadurch verunreinigen und ihrer hohen Berufung, die Brautgemeinde des Herrn zu sein, verlustig gehen.

    Wie sehr lässt du dich, lieber Leser, von frommen Worten beflügeln? Diese Gläubige sprechen davon, dass "das Land ihnen von Gott zum Bergungsort gegeben wurde und vom heiligen Geist in ihrem Herzen versiegelt worden sei". Kann man noch eindrücklicher und überzeugender vom Glauben sprechen? Und doch befanden sie sich im Irrtum.

    Uebrigens hat sich diese Gesellschaft auch bereits in drei Theile gespalten und jede Gemeinde behauptet von sich allein die Brautgemeinde des Herrn zu sein, und sieht die andern Theile als vom Satan verführt und in dem Abfall anheim gefallen; sie meiden einander aufs Aeußerste.

    Wie schmerzhaft, so viele Strapazen und Opfer auf sich genommen zu haben und nun den Mitstreiter als einen "vom Satan verführten" zu bezeichnen!

    Nun folgt die Beschreibung der drei verschiedenen Gruppen:

    Ein Theil, dessen Leiter ein gewisser Peter Dück aus Köppenthal und Franz Bartsch (er ist ein paar Jahre an der Molotschna gewesen) sind, hält das Arbeiten nicht allein nicht mehr für nöthig, sondern sogar für sündlich, indem die Zukunft des Herrn so nahe sei, daß es nicht lohnt, sich mit dergleichen weltlichem Wesen abzugeben. Das Aeltesten- u. Lehramt verwerfen sie, denn jeder Hausvater ist berechtigt in der Versammlung die Taufhandlung zu verrichten und das heilige Abendmahl auszutheilen. Auch den Frauen ist es gestattet in der öffentlichen Versammlung zu reden.

    Wozu "noch arbeiten",wenn Jesus in den nächsten Tagen vom Himmel herabsteigen wird? Diese Gruppe sagt sogar, dass Arbeiten "sündig" ist.

    Nach beinah 150 Jahren wissen wir heute, dass die Leute dieser Gruppe sich geirrt haben. Wie aber sieht heute der Alltag eines Gläubigen aus, der auf die tägliche Wiederkunft des Herrn wartet?

    Da halte ich es lieber mit Martin Luther, der gesagt haben soll: "Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen." Denn falls ich mich geirrt hätte, werden meine Kindern und Enkel davon essen können.

    Der mittlere (größte) Theil wird von Jakob Töws geleitet. Er verwirft nicht das Lehr- aber doch das Aeltestenamt. Die Zukunft des Herrn haben auch sie auf Jahr und Tag berechnet, weßhalb auch sie das Arbeiten nicht gerade für sündlich, aber doch auch nicht mehr für sehr nöthig halten.

    Der grössere Teil der Ausgewanderten - sie waren in Taschkent geblieben - sind auch im Zweifel, ob sich das Arbeiten lohnt, denn auch sie rechnen mit der Wiederkunft des Herrn in den kommenden Wochen.

    Wie hat sich dieses auf ihren Alltag ausgewirkt? Mit welcher Hingabe und Fleiß sind sie den alltäglichen Arbeiten nachgegangen? Mit welcher Fürsorge haben sie die Erde gepflügt und Samenkörner ausgestreut? Denn die meisten glaubten schon gar nicht mehr da zu sein, um eine Ernte einzubringen. Und falls Jesus bis dann nicht gekommen wäre, was würden sie dann essen?

     Der dritte Theil, der nur aus einigen Familien besteht, möchte wohl noch Arbeiten, allein da sie kein Land besitzen noch sonst nicht in einem Berufe stehn, der Arbeit erfordert, so finden sie wenig Gelegenheit ihre Arbeitslust zu bethätigen. Die Zukunft des Herrn halten sie zwar für nahe, aber für uns Menschen nicht für genau berechenbar.

    Um dieser an und für sich geringer Unterschiede wegen ist die Spaltung unter ihnen so groß, einander nicht sehen mögen. Wir sind sehr gespannt darauf, wie K. Epp, wenn er hinkommen wird, sich dazu stellen wird."

    "Sie finden wenig Gelegenheit ihre Arbeitslust zu betätigen". Meine Mutter sagte immer, der Appetit kommt beim Essen. Ähnlich ergeht es auch mit der Arbeit. Sie waren nun aber schon beinah zwei Jahre ohne Arbeit, lebten von dem Geld, das sie mitgebracht hatten. Pausen tun gut, wenn sie aber zu lange währen, arten sie aus in Mutlosigkeit, Schlaffheit der Glieder und der Tatkraft.

    In Betreff der Molotschnaer-Brüder leuchtet also aus diesem Schreiben die Möglichkeit hervor, daß sie sich im asiatischen Rußland niederlassen werden. Bei dem lebhaften Interesse, daß die russische Regierung gegenwärtig für die Besiedelung und Cultivirung des ungeheuren und zum Theil sehr fruchtbaren asiatischen Gebiets bekundet, scheint es uns leicht möglich, daß die Mennoniten unter sehr günstigen Bedingungen und jedenfalls auf zeitweilige gänzliche Befreiung vom Militärdienst hin dort ansiedeln könnten. Vielleicht werden sie dann aber noch weiter östlich, nahe der chinesischen Grenze ziehen müssen.

 1882-07-15

    Die Ideen des Klaas Epp über die baldige Wiederkunft des Herrn im Innern Asiens haben nur wenige Mennoniten beflügelt. Aber die Angst vor dem Militärdienst packte die meisten. Und viele dachten daran ins innerste Asien zu ziehen, in der Hoffnung ihre Jünglinge vor diesem Schreckensgespenst zu befreien.

 

 

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